Allgemein

Eine Yersiniose ist eine Krankheit, die durch eine Infektion mit den Bakterienarten Yersinia enterocolitica und Yersinia pseudotuberculosis hervorgerufen wird. Derartige Erkrankungen bei Tieren und Menschen gehen mit verschiedenen Krankheitsbildern einher.

Zu besonderem Ruhm gelangte das verwandte Bakterium Yersinia pestis, das im Mittelalter in Europa wütete und Millionen von Menschen den Tod brachte. Die Pest ist aber nicht ausgerottet, denn nach wie vor ist sie in einigen Ländern der Welt endemisch und führt regelmäßig zu mehr oder weniger heftigen Ausbrüchen.

Erreger – Yersinien

Yersinien sind weltweit verbreitete Erreger. Die Gattung Yersinia beinhaltet zahlreiche Bakterienarten, wobei Y. enterocolitica, Y. pseudotuberculosis und Y. pestis die größte Bedeutung als Infektionserreger bei Tieren und Menschen haben.

Die Erreger sind im Tierreich weit verbreitet. Nagetiere, Hasenartige und Vögel stellen die natürlichen Reservoir-Wirte für Yersinia pseudotuberculosis dar. Die Krankheit Yersiniose wird im Zusammenhang mit Nagetieren auch Rodentiose oder Nagerseuche, im Zusammenhang mit  anderen Spezies auch Pseudotuberkulose genannt.

Yersinia enterocolitica konnte ebenfalls aus verschiedenen Tierarten isoliert werden, z.B. aus Schweineartigen, Rindern, Schafen, Ziegen und Hunden.

Weitere verschiedene Nutz-, Haus- und Heimtierspezies und auch der Mensch können sich infizieren. Während Y. pseudotuberculosis häufiger in Osteuropa und Russland vorkommt, verursacht in Europa am häufigsten Yersinia enterocolitica eine sogenannte Yersiniose bei uns Menschen.

Die Gattung ist nach dem Forscher Alexandre Yersin benannt, der 1894 den Pesterreger entdeckte und ihm den Namen Y. pestis gab. Während dieses Bakterium typischerweise durch den Stich von Flöhen („Pestfloh“), die diesen Erreger in sich tragen, übertragen wird und die als „Schwarzer Tod“ bezeichnete Infektionskrankheit Pest beim Menschen hervorruft, werden Y. pseudotuberculosis und vor allem Y. enterocolitica durch Aufnahme kontaminierter Nahrung übertragen und verursachen Magen-Darm-Infektionen. Vor allem bei Kleinkindern kann der Durchfallerreger zu schwerwiegenden Infektionen und Krankheitsbildern führen. Yersinien sind heute nach Salmonellen und Campylobacter die dritthäufigsten Verursacher von bakteriellen Darmerkrankungen in Deutschland und Europa.

Yersinien sind kurze Stäbchenbakterien, die auch ohne die Anwesenheit von Luftsauerstoff in einem Temperaturbereich von 4°C bis 43°C wachsen können, d.h. sie fühlen sich nicht nur im körperwarmen Milieu wohl, sie können auch bei Kühlschranktemperaturen (4-8 °C) wachsen und sich sogar vermehren, wodurch es in kontaminierten Lebensmitteln zu einer Anreicherung der Bakterien auch unter diesen vermeintlich „sicheren“ Bedingungen kommen kann.

Vorkommen

  1. enterocolitica und Y. pseudotuberculosis sind weltweit verbreitet.
  2. pestis kommt hingegen nur in bestimmten Regionen vor (s. Weltkarte).

Weltweite Verbreitung der Pest [Stand: März 2016, Quelle: WHO]

Die Pest ist eine der ältesten bekannten Krankheiten, die bereits im alttestamentarischen 1. Buch Samuel in Form der Verwüstung beschrieben wird, die etwa 1320 bis 1000 v. Chr. über die Philister kam, nachdem sie den Israeliten die Bundeslade gestohlen hatten. Ausbrüche in unserer Zeit zeigen, dass diese uralte Krankheit noch immer nicht ausgerottet ist. Madagaskar gehört neben Peru und der Demokratischen Republik Kongo laut Angaben der WHO zu den Haupt-Endemiegebieten der Pest.

Vor allem Ratten und Flöhe sind für die Ausbreitung verantwortlich, aber auch Hunde und Katzen können die Erreger-Ausbreitung unterstützen.

Übertragung

Yersinien sind in der Natur weit verbreitet, gegen äußere Einflüsse sehr stabil und können in der Umwelt monatelang infektiös bleiben. Y. pseudotuberculosis kann sich sogar im Wasser  vermehren, so dass es insbesondere in feuchten Biotopen ganzjährig zu Infektionen kommen kann. Gegenüber hohen Temperaturen (> 40 °C) und Eintrocknung ist das Bakterium dagegen sehr empfindlich.

Die Yersiniose wird als ein „Faktorenkrankheit“ angesehen, d.h. es müssen bestimmte Faktoren zusammenkommen, damit die Krankheit ausbricht. Bei einer geschwächten Abwehr aufgrund von lang andauernden Kälte- oder Nässeperioden oder Nahrungsmangel, bei starkem Endoparasitenbefall oder Stress sind Infektionen bei Wildtieren häufiger. Bei Hasen treten Infektionen vor allem im Winterhalbjahr auf.

Krankheit beim Tier

Eine akute Yersiniose aufgrund einer Infektion mit Y. pseudotuberculosis zeigt sich bei betroffenen Tieren, z.B. Feldhasen, in einer schweren Störung des Allgemeinbefindens bei normalem Ernährungszustand. Der Tod kann aufgrund einer Blutvergiftung durch umfassende Erregerstreuung schnell eintreten. Bei der Sektion zeigen sich unspezifische Symptome wie Milzschwellung, Schwellung von Darmlymphknoten sowie eine Entzündung des Darmtraktes.

Wesentlich häufiger ist die subakut bis chronische Verlaufsform, die nach ca. 8-10 Tagen manchmal jedoch auch erst nach einigen Wochen zum Tode führt. Chronisch erkrankte Hasen sind hochgradig geschwächt, magern stark ab und sind apathisch. Atembeschwerden und Durchfälle sowie Inkoordination und Lähmungen können vorkommen.

Die Pseudotuberkulose geht manchmal bei Nagetieren und Hasenartigen mit großen Verlusten einher und kann seuchenhafte Züge annehmen.

Bei der Sektion zeigen sich vergrößerte Darmlymphknoten und stecknadelstich- bis erbsengroße, graue bis gelblich-weiße Knötchen, hauptsächlich in Leber und Milz, mit verkästem Inhalt. Auch lassen sich weißliche, hirsekorn- bis erbsengroße, z.T. ineinander übergehende Entzündungsherde in anderen Organen wie Haut oder Hoden beobachten. Aufgrund der „Tuberkulose-Ähnlichkeit“ der Organveränderungen wird die Yersiniose auch „Pseudotuberkulose“ genannt.

Bei im Rahmen der Jagd erlegten Tieren, die aufgebrochen werden, sollten bei Vorliegen derartiger Befunde die Alarmglocken schrillen. Labordiagnostisch werden diese eingesandte Tiere dann auch auf Erreger anderer Zoonosen wie Brucellose, Tularämie, Pasteurellose und Tuberkulose untersucht.

Haus- und Nutztiere erkranken nur selten an Durchfallerkrankungen mit Abmagerung und Gelbsucht, an Lungen- und Euterentzündungen. Die Erkrankung verläuft so unspezifisch, dass die Diagnose zumeist erst am toten Tier in der Pathologie gestellt wird.

Therapie beim Tier

Die Therapie kann durch eine antibiotische Behandlung im Nutz- und Haustierbereich erfolgen, vorausgesetzt, dass die Krankheit in einem frühen Stadium zur Behandlung kommt. In vielen Fällen ist eine Behandlung weder sinnvoll, noch erfolgreich, und Dauerausscheider im Nutztierbereich sollten zur Sicherheit von Mensch und anderen Tieren einer Population vielmehr entnommen werden. Für Zootiere stehen Impfungen zur Verfügung.

Bedeutung von Yersinien als Krankheitserreger beim Menschen

Die medizinische Bedeutung der pathogenen Yersinien für die Menschheit hat sich im Laufe der Zeit stark gewandelt. Während die Pest viele Jahrhunderte die Geschichte der Menschen durch verheerende Epidemien beeinflusste, spielt diese Infektionskrankheit seit Anfang des 20. Jahrhundert als Seuchenerreger weltweit eine geringe und in Europa keine Rolle mehr.

Dagegen gewinnen die Darmerkrankungen verursachenden Erreger Y. pseudotuberculosis und noch mehr Y. enterocolitica seit den 1950er Jahren immer mehr an Bedeutung. Die besagten Bakterien lösen beim Menschen schwere Darminfektionen mit Folgeerkrankungen aus. Übertragen werden die Erreger über Nahrungsmittel, insbesondere über ungenügend erhitztes Fleisch oder über kontaminiertes Wasser.

Seit 2012 wurden dem Robert-Koch-Institut (RKI) jährlich zwischen 2.500 und 2.800 Erkrankungen, verursacht durch Y. enterocolitica  übermittelt (etwa 3 Erkrankungen/100.000 Einwohner). Kinder unter 5 Jahre sind am häufigsten betroffen, hier die einjährigen Kinder.

Männliche Personen (etwa 55% der Fälle) sind etwas häufiger betroffen als weibliche. In Deutschland tritt die Mehrzahl (etwa 98%) der übermittelten Yersiniosen als sporadische Fälle auf. Die meisten übermittelten Krankheitsausbrüche umfassen nur 2-4 Betroffene und kommen häufig in Privathaushalten vor. Pro Jahr werden typischerweise nur 0-2 Ausbrüche mit 5 oder mehr Personen übermittelt.

Infektionsweg beim Menschen

Infektionen des Menschen sind meist lebensmittelbedingt, wobei die Übertragung von Y. enterocolitica auf den Menschen in der Mehrzahl der Fälle durch kontaminiertes Fleisch, Milch oder Wasser erfolgt. Da das Schwein als Hauptreservoir von Y. enterocolitica gilt, müssen rohes oder unzureichend gegartes Schweinefleisch und Hygienemängel bei der Zubereitung von Schweinehackfleisch im Haushalt als Hauptquellen der Infektionen angesehen werden. Eine Infektion verläuft bei Schweineartigen meist asymptomatisch, wobei hohe Keimzahlen in den Mandeln auftreten. Während des Schlachtprozesses kann es zu einer Kontamination der Schlachtkörper kommen und damit zu einem Eintrag in die Lebensmittelkette.

Weitere Risikofaktoren für Infektionen mit Y. enterocolitica sind der Verzehr von nicht oder nicht ausreichend pasteurisierter Milch, verunreinigtem Wasser, Salat, Sprossen und anderen pflanzlichen Lebensmitteln, die vor dem Verzehr nicht erhitzt werden können. Da der Erreger sich auch bei niedrigen Umgebungstemperaturen (Kühlschranktemperatur) und unter sauerstoffreduzierten Bedingungen vermehren kann, schützt nur eine ausreichende Erhitzung von Speisen und Nahrungsmitteln vor einer Infektion. Die Kontamination der Nahrungsmittel kann hierbei direkt über tierische Exkremente oder über die Bewässerung der Pflanzen mit kontaminiertem Wasser erfolgen.

Direkte Übertragungen der Erreger von Tier zu Mensch oder von Mensch zu Mensch spielen bei Yersiniosen eine untergeordnete Rolle.

Yersioniosen  – Krankheitsbilder beim Menschen

Die durch Y. pseudotuberculosis und Y. enterocolitica verursachten Krankheitsbilder beim Menschen werden als Yersiniosen bezeichnet und können eine Vielzahl von klinischen Symptomen hervorrufen, die vom Alter und Abwehrzustand der Patienten abhängen. Kleinkinder haben nach einer Infektion in der Regel eine akute Magen-Darm-Entzündung (Gastroenteritis), während ältere Kinder und Jugendliche meist an unspezifischen Bauchschmerzen leiden und geschwollene Lymphknoten aufweisen. Bei Erwachsenen können „grippale Infekte“ vorkommen. Bestehen Grunderkrankungen, können Leberabszesse sowie Entzündungen der Herzinnenhaut, des Herzbeutels oder des Brustfells etc. auftreten. Spätfolgen können Gelenksentzündungen, eine dauerhafte Entzündung des Dünndarms und eine akute Entzündung des Unterhautfettgewebes sein.

Nach einer Inkubationszeit von wenigen Stunden bis zu sieben Tagen erscheinen die ersten Symptome wie Durchfall, Bauchschmerzen, Erbrechen und Fieber.

Die Patienten sind solange infektiös und Erreger können mit dem Stuhl ausgeschieden werden, wie die Symptome andauern, in der Regel 2-3 Wochen. Eine längere Ausscheidungsdauer ist sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen aber möglich.

Während der Dauer ihrer Erkrankung sollten Patienten zu Hause bleiben und besondere Hygienemaßnahmen beachten.

Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen

Vor allem hygienische Maßnahmen im Nutztier- und Lebensmittelbereich sind von großer Bedeutung, wie die Bekämpfung von Schadnagern und die Abschirmung gegen Verschmutzungen durch Wildvögel. Futtermittel  sollten unbedingt vor Verschmutzung durch Nagetiere, auch im Hinblick auf andere Infektionskrankheiten wie Leptospirose, geschützt werden.

Im Lebensmittelbereich sind zum Schutz vor Yersinien-Infektionen das Durchgaren von Fleisch, vor allem Schweinefleisch, und eine konsequente Einhaltung der Küchenhygiene bei der Speisenzubereitung wichtig. Der Verzehr von rohem Schweinehackfleisch wurde als bedeutendster Risikofaktor für Yersiniosen in Deutschland identifiziert.

Da die Ausscheidung von Yersinien längere Zeit andauert, ist für einen Zeitraum von etwa vier Wochen nachdem sich die Symptome „beruhigt“ haben, auf die strikte Einhaltung einer adäquaten Händehygiene zu achten, um eine direkte oder indirekte Kontamination von Lebensmitteln zu vermeiden. Betroffene Personen sollten in diesem Zeitraum nicht in lebensmittelhygienisch sensiblen Bereichen tätig werden. Spezielle Regelungen für Ausscheider von Yersiniose-Erregern bestehen, anders als für bestätigte Ausscheider von Shigellen, Salmonellen, EHEC und dem Choleraerreger gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht.

Eine wichtige allgemeine Maßnahme zur Prophylaxe der Übertragung von Yersinien-Infektionen ist das gründliche Waschen der Hände mit Wasser und Seife nach jedem Toilettenbesuch, nach Kontakt mit vermutlich kontaminierten Gegenständen, Arbeitsgeräten und -flächen in der Küche und vor der Zubereitung von Mahlzeiten. Händewaschen führt zwar nicht zur sicheren vollständigen Beseitigung, aber zur deutlichen Reduzierung der bakteriellen Keimkonzentration an den Händen.

Bedeutung für den Jäger als Lebensmittelunternehmer

Die Jägerschaft ist aufgerufen, besondere Vorsicht beim Umgang mit Hasenartigen und Wildvögeln im Jagdbetrieb walten zu lassen und eine penible Küchenhygiene beim Zubereiten von Speisen mit Wild zu betreiben. Ein Durchgaren von Wildfleisch wird angeraten.

Im Zusammenhang mit der Vermarktung von Wildfleisch wird auf die EU-Verordnung 852/2004 mit allgemeinen Lebensmittelhygiene-Vorschriften für Lebensmittelunternehmer hingewiesen:
Gemäß Anhang 2 Kapitel VIII (“Persönliche Hygiene”) Nr. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004, ist Personen, die an einer Krankheit leiden, die durch Lebensmittel übertragen werden kann, oder Träger einer solchen Krankheit sind, sowie Personen mit beispielsweise infizierten Wunden, Hautinfektionen oder -verletzungen oder Diarrhö der Umgang mit Lebensmitteln und das Betreten von Bereichen, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, generell verboten, wenn die Möglichkeit einer direkten oder indirekten Kontamination besteht.

Mit Hilfe der heute zur Verfügung stehenden Labormethoden ist es bei Ausbrüchen von Lebensmittelinfektionen zunehmend möglich, das ursächlich verantwortliche Lebensmittel zu identifizieren und damit den Inverkehrbringer zur Rechenschaft zu ziehen……..

Gesetzliche Grundlage

Meldepflicht gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Seit 24. Juli 2017 ist der Nachweis aller darmpathogenen Yersinien-Spezies gemäß IfSG meldepflichtig. Mit darmpathogenen Yersinien sind die Spezies Y. enterocolitica und Y. pseudotuberculosis gemeint.

Dem Gesundheitsamt wird der direkte oder indirekte Nachweis der Yersinien namentlich gemeldet. Die Meldungen müssen dem Gesundheitsamt spätestens 24 Stunden nach erlangter Kenntnis durch zur Meldung verpflichtete Personen, z.B. Ärzte, mitgeteilt werden.

Besteht ein Verdacht auf eine infektiöse Magen-Darmentzündung (Erreger unbekannt) oder ist ein Mensch daran erkrankt, der Umgang mit Lebensmitteln hat oder in Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung (z.B. Küchen, Gaststätten) beschäftigt ist, bzw. treten zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auf (z.B. in Gemeinschaftseinrichtungen), ist das Gesundheitsamt umgehend zu informieren.

Maßnahmen bei Ausbrüchen

Bei Ausbrüchen ist es wichtig, die Infektionsquelle bzw. den Überträger schnell zu erkennen, um eine weitere Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Dies erfordert eine enge Kooperation von Gesundheits- und Veterinärämtern.

Yersiniose beim Menschen erkennen und behandeln

Diagnostik

Bei der Diagnosestellung sind weitere bakterielle, virale sowie parasitäre Durchfallerreger in Erwägung zu ziehen.

Bei Kindern und Jugendlichen können die Symptome einer Yersiniose denen einer „Blinddarmentzündung“ (Appendizitis) stark ähneln. An nicht-infektiöse Ursachen, wie chronisch entzündliche Darmerkrankungen und ein Reizdarmsyndrom, müsste ebenfalls gedacht werden, wenn die Yersinien nicht nachzuweisen sind.

Neue serologische Tests erlauben eine verbesserte Differentialdiagnose zum Ausschluss anderer Erkrankungen und helfen, die richtige und optimale Behandlung der Patienten sicherzustellen.

Heutzutage ist auch der Nachweis von länger zurückliegenden Infektionen möglich, so dass von den Ärzten die Folgeerkrankungen als solche auch erkannt und gezielt behandelt werden können.

Behandlung

Eine antibiotische Therapie sollte nur bei schwerem Krankheitsbild, oder wenn keine Anzeichen einer Besserung sichtbar sind, durchgeführt werden. Folgeerkrankungen lassen sich dadurch jedoch nicht verhindern.

Die Gabe von Elektrolyten ist bei den meisten Patienten ausreichend.

Exkurs Pest

Die Pest von Azoth; Gemälde von Nicolas Poussin, 1594-1665. Das Kunstwerk zeigt die an der Pest erkrankten Philister.

Vom 13. bis 18. Jahrhundert traten immer wieder in zyklischen Abständen Epidemien in Europa auf. Im Mittelalter des 14. Jahrhunderts (1347-1353) fand der wohl größte Seuchenzug der Pest statt, der ganze Landstriche entvölkerte. Experten sagen, dass damals ein Drittel der europäischen Bevölkerung starb. Über die Handelswege von Osteuropa wurde mit der Wanderratte und dem „Rattenfloh“ die Krankheit eingeschleppt. Ein derartig katastrophales Ausmaß erreichte das Seuchengeschehen nie wieder. In den folgenden Jahrhunderten kam es in den Städten Europas jedoch immer wieder zu „großen Sterben”. Erst im frühen 18. Jahrhundert zog sich die Pest endgültig aus Europa zurück. 

Der Pesterreger wird mit dem Speichel des Rattenflohs übertragen. So sind Krankheitsausbrüche während des Sommers sehr viel stärker als im Winter zu befürchten. Sind nicht genügend Ratten vorhanden und die Blutmahlzeiten für den Floh knapp, suchen die Flöhe andere Wirte, z.B. Menschen auf. Verunreinigte Lebensmittel und Wasser können auch als Infektionsquelle für die Pest während einer Epidemie in Frage kommen.

Damals wurde auch der Begriff “Schwarzer Tod” geprägt. Blutunterlaufene Hautabschnitte und Beulen sowie nekrotisierende Körperteile, die sich durch Blutabbau schwarz verfärbten (s. Abb.) und abstarben (Mumifikation, Schrumpfung, Vertrocknung), führten zu dieser naheliegenden Bezeichnung.

Pest – nekrotische Finger, Wikipedia

 Die Pest tritt beim Menschen in vier Krankheitsformen auf

  1. Die Beulenpest zeichnet sich durch zunächst leicht tumorartige Schwellungen an den Einstichstellen der Flöhe entlang der Lymphbahnen und anschließend der Lymphknoten aus. Zunächst treten Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen auf, gefolgt von schweren Symptomen, wie Benommenheit und Bewusstlosigkeit. Nach einer Inkubationszeit von sechs Stunden bis zu einer Woche entwickeln sich sehr schmerzhafte Beulen, die sich mit fortschreitendem Krankheitsverlauf durch Einblutung blauschwarz verfärben. Die Beulen können schließlich aufbrechen und sondern eine eitrige, stinkende Flüssigkeit mit einer großen Anzahl an Yersinien ab (siehe Gemälde). Brechen die Beulen nach innen auf, kommt es zur Blutvergiftung.
  2. Die septikämische Form der Pest ist eine Komplikation der Beulenpest durch innerlich aufgebrochene Beulen oder Wunden. Diese kommen mit Absonderungen aus den Beulen in Kontakt, sodass eine Blutvergiftung mit dem Keim stattfindet, der sich über den ganzen Körper verteilt, zu Organblutungen führt und innerhalb von 36 Stunden den Tod verursacht.
  3. Die Lungenpest ist auch eine Komplikation der Beulenpest. Hierbei wird das Lungengewebe befallen, und der Keim kann leicht von Mensch zu Mensch durch eine Tröpfcheninfektion übertragen werden. Die Todesrate bei dieser Form der Pest ist sehr hoch: 94 – 98 %.
  4. Die abortive Form der Pest ist eine milde, chronische Form mit leichtem Fieber und Schwellung der Lymphdrüsen. Bei Frauen kann sie zu Fehlgeburten führen, bei Männern zur Unfruchtbarkeit. Die Pest kann auch Haustiere befallen. Vorwiegend sind Katzen und Hunde als Ansteckungsquellen für den Menschen zu betrachten. Auch Wildkaninchen und Hasen können in seltenen Fällen im Infektionsgeschehen mitmischen.

Pestarztmaske (Stoff, Leder, Glas, um 1700, Maße 61 x 36 x 45 cm), Deutsches Medizinhistorisches Museum Ingolstadt

Deutsches Medizinhistorisches Museum Ingolstadt, Prof. Dr. Marion Ruisinger

Leben mit der Pest

In diesen vier Jahrhunderten lernte die europäische Bevölkerung mit den Seuchenjahren zu leben. Die Stadtverwaltungen erließen Medizinalordnungen, die Pestheiligen Rochus und Sebastian erfreuten sich großer Beliebtheit. Im 17. Jahrhundert trugen Ärzte in Italien und Frankreich erstmals eine spezielle Schutzkleidung mit einer grotesk anmutenden „Pestarztmaske”, die sie beim Krankenbesuch vor der Ansteckung schützen sollte. Es gibt allerdings keine Hinweise darauf, dass diese Art von Schutzkleidung zu Pestzeiten auch im deutschen Sprachraum getragen wurde.

Ansteckungstheorien

Auch wenn der „Schnabeldoktor” nicht zu den Akteuren bei Pestausbrüchen in unserem Raum gehörte, lässt sich an dieser Maske doch sehr schön ablesen, wie man sich in der vorbakteriellen Ära die Ansteckung durch die Pest erklärte: Sehr verbreitet war die Vorstellung, dass die Pest durch eine aus Osten kommende verdorbene Luft ausgelöst sei, den „Pesthauch” oder das „Miasma”. Diesem Pesthauch galt es etwas entgegenzusetzen, und deshalb barg die schnabelartige Nase der Maske einen mit duftenden Essenzen getränkten Schwamm, der die Atemluft mit dem aromatischen Geruch von Zimt, Nelken u.ä. veredelte. Auch Feuer und Räucherungen galten als probates Mittel zur Reinigung der Luft und zum Verdrängen des Pesthauches. Die Wahl des Räucherwerks richtete sich dabei nach dem Geldbeutel: wer es sich leisten konnte, ließ mit Weihrauch und Myrrhe räuchern, Arme griffen zu Wacholder oder gar zu Hornspänen. Wenn es beim Räuchern dann stank wie die Pest, hatte man sein Ziel erreicht…

Die Erfahrung zeigte, dass die Pest zudem eine stoffliche Ansteckungskomponente haben musste, weil sie auch durch Waren oder Kleidungsstücke übertragen wurde. Gegen diesen Krankheitsstoff, das „Contagium”, trug der Pestarzt ein bodenlanges Gewand aus gewachstem Stoff oder glattem Leder. Die langen Ärmel gingen nahtlos in lederne Stulpenhandschuhe über. Zudem waren die Augenöffnungen der Maske durch Scheiben aus Glas oder Kristall verschlossen, die vor dem Blick des Kranken schützen sollten, den man ebenfalls für ansteckend hielt.

Diese fast lückenlose Verhüllung dürfte für den Pestarzt durchaus eine Schutzwirkung entfaltet haben. Wirklich sicher waren aber nur diejenigen Ärzte, die rechtzeitig die Flucht ergriffen. So riet auch der Nürnberger Wundarzt und Meistersinger Hans Folz 1459: „Fleuch pald, fleuch ferr, kum wieder spot! / Das sind drei krewter in der not / für all apptecken und doctor.”