Paratuberkulose

Einleitung

Die Paratuberkulose (Para-Tb) der Wiederkäuer (nach Heinrich Albert Johne auch Johne’sche Krankheit genannt) ist eine weltweit vorkommende, infektiöse, chronische, unheilbare Durchfallerkrankung, hervorgerufen durch Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis (MAP). Der Erreger wird in großen Mengen mit dem Kot eines MAP-infizierten Tieres ausgeschieden. Da Mykobakterien gegenüber Umwelteinflüssen sehr widerstandsfähig sind, überleben sie im Kot monatelang. Dadurch wird eine Übertragung auf empfängliche Tiere begünstigt. Neben Rindern können auch andere Wiederkäuer wie zum Beispiel Schafe und Ziegen erkranken. Die Erkrankung kann nicht erfolgreich behandelt werden und hat einen schleichenden, tödlichen Verlauf.

Die Paratuberkulose des Rindes, wie die Infektionskrankheit auch genannt wird, wurde im deutschen Raum erstmals 1895 an einer norddeutschen Kuh beschrieben.

Milch und Milchprodukte gelten als mögliche Expositionsquelle für den Menschen. Im Gegensatz zu Wiederkäuern erkranken Menschen jedoch nicht an der Johne’schen Krankheit, wohl aber wird ein Zusammenhang zwischen MAP und Morbus Crohn (MC), einer chronischen Darmentzündung des Menschen, in Wissenschaftlerkreisen seit vielen Jahren als Hypothese diskutiert. Deshalb beschäftigen sich das BMEL und seine Fachoberbehörden ebenfalls seit längerer Zeit mit diesem Thema.

Erreger

Der Krankheitserreger der Paratuberkulose, Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis (MAP), wird zur Gruppe der Mykobakterien gezählt, der auch der Erreger der Rindertuberkulose und der Tuberkulose des Menschen angehört.

Die Bakterien nisten sich in der Darmwand ein und verursachen eine sehr langsam verlaufende Darmentzündung. Sie breiten sich vom Darm über die Blutbahn u.a. zum Euter infizierter Tiere aus. Kot, Milch und Kolostrum (Biestmilch) von infizierten Tieren bilden die wichtigsten Ansteckungsquellen. Das ungeborene Kalb kann bereits in der Gebärmutter infiziert werden.

Die Bakterien sind von einer festen Wachsschicht umgeben. Deshalb können sie sehr lange (länger als ein Jahr) außerhalb des Tieres überleben, so z.B. in Gülle, Wasser oder Erde. UV-Strahlen (z.B. Sonnenlicht) töten sie allerdings ab.

Infektionsweg

Die Einschleppung des Erregers in einen bislang „unverdächtigen“ Bestand erfolgt in der Regel über Zukauf von (unerkannt) infizierten Tieren. In einem betroffenen Rinderbestand spielt der Kontakt von Kälbern mit dem Kot erwachsener, infizierter Rinder über verschmutztes Futter, Lecken an verschmutzten Oberflächen oder das Trinken von erregerhaltiger Biestmilch oder Milch die größte Rolle für die Verbreitung.

Kälber in den ersten Lebenswochen und -monaten sind besonders empfänglich für eine Infektion. Mit zunehmendem Alter der Tiere sinkt das Infektionsrisiko. Eine strikte Trennung zwischen Kälbern bis zu einem Jahr und Tieren von zwei Jahren und älter ist eine wesentliche Maßnahme, um die Verbreitung der Paratuberkulose innerhalb eines Betriebes zu verhindern

Die Übertragung erfolgt vorwiegend oral. Die Bakterien gelangen dann über Defekte der Darmzotten in weiße Blutzellen, in denen sie sich vermehren. Dabei kommt es zur Entzündung und Verdickung der Darmwand, wodurch die Absorption von Nährstoffen gestört wird. In der Folge kommt es zu hochgradigem Gewichtsverlust, Auszehrung und Abmagerung. Eine Übertragung über die Plazenta und vor allem über die Milch ist bekannt und wahrscheinlich.

Der wirtschaftliche Schaden für die Betriebe entsteht nicht nur durch die eigentlichen Tierverluste selbst, sondern vor allem durch eine verminderte Milchleistung, eine höhere Krankheitsanfälligkeit der betroffenen Tiere verbunden mit hohen Tierarztkosten sowie verminderte Schlachterlöse.

Symptome bei Wiederkäuern

Diese Krankheit zeichnet sich durch eine lange Inkubationszeit aus. Jungtiere scheinen für die Infektion besonders empfänglich zu sein, wobei die Übertragung in der Regel von den älteren Tieren auf die neugeborenen und jugendlichen Tiere erfolgt. Dennoch zeigen die meisten Tiere bis zum Alter von etwa zwei Jahren keinerlei klinische Symptome. Während dieser Zeit ist die Infektion nur sehr schwer zu entdecken. Infizierte Tiere scheiden die Bakterien – oft schubweise – während des gesamten Krankheitsverlaufs aus, also auch schon, bevor äußerliche Krankheitszeichen erkennbar sind.
Nur ein geringer Prozentsatz der Tiere entwickelt klinische Symptome, die meisten sind in der Lage, die Infektion zu eliminieren oder sie werden zu “stillen Trägern”.
Neben den typischen Symptome Abmagerung, Schwäche und Austrocknung ist die Geburt schwacher Kälber und ein Absinken der Milchleistung zu beobachten. Anhaltender Durchfall ist vor allem bei Rindern, weniger bei Schafen zu beobachten.

Sobald Symptome auftreten, nimmt die Paratuberkulose einen fortschreitenden Verlauf, und betroffene Tiere sterben innerhalb von zwei bis sechs Monaten. Die Mortalitätsrate liegt bei etwa 1 %. In einem betroffenen Bestand findet man oft ca. drei- bis viermal so viele unerkannte Ausscheider wie sichtbar erkrankte Tiere. Bei Rindern werden jährlich in Deutschland rund 350 Fälle bekannt.

Da die Inkubationszeit mehrere Jahre beträgt, können infizierte und eventuell den Erreger bereits ausscheidende Tiere lange Zeit unerkannt bleiben und so zu einer Verbreitung der Infektion im eigenen Bestand oder hinein in andere Beständen beitragen.

Prävention

Routinemäßig durchgeführte Screening-Programme können dazu beitragen, eine Bestandssanierung zu erreichen. Positiv getestete Tiere sollten aus dem Bestand entfernt werden. Da auch eine Infektion im Mutterleib möglich ist, sollten auch Jungtiere, deren Mütter Symptome aufweisen oder erste Anzeichen der Krankheit entwickelt haben, aus dem Bestand entfernt werden.

Auch spezielle Hygienemaßnahmen zur Minimierung der Verunreinigung, wie z. B. Erhöhen der Futterraufen und Tränken, Bereitstellung von Leitungswasser statt Wasser aus stehenden Gewässern (z. B. aus Teichen) sowie häufiges Umeggen der Weiden zur Verteilung des Kots auf dem Gelände können hilfreich sein.

Diagnostik der Paratuberkulose

Die Infektion kann durch eine Laboruntersuchung von Kot-, Blut-, Milch- oder Organproben über den Nachweis von Antikörpern oder den Erreger selbst festgestellt werden. Problematisch ist, dass erst in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium eine massenhafte und leichter erkennbare Erregerausscheidung erfolgt. Auch der Nachweis von Antikörpern ist nicht immer erfolgreich, weil sie ggf. erst zu einem sehr späten Zeitpunkt gebildet werden.

Untersuchungen am Max Rubner Institut

Ausführliche experimentelle Untersuchungen, in denen der Einfluss verschiedener Erhitzungsverfahren auf die Vermehrungsfähigkeit von MAP in Handelsmilch geprüft wurde, wurden von 2006 bis 2010 am Max Rubner Institut durchgeführt. Ziel dieser Untersuchungen war es, im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes mögliche Eintragswege für MAP in die Lebensmittelkette aufzuzeigen und Maßnahmen zur Minimierung bzw. Verhinderung dieses Eintrags zu untersuchen.

Es zeigte sich als Ergebnis der Untersuchungen, dass bei den gängigen Erhitzungsverfahren eine weitgehende Minimierung des Erregers möglich ist. Eine weitere Reduktion von MAP erfolgt bei den üblichen Milchbearbeitungsvorgängen.

Da MAP sich nur im Wirt vermehren kann und nach dem Eintritt in die Lebensmittelkette praktisch sofort Verdünnungseffekte wirksam werden und weitere Reduzierungen bei der Be- und Verarbeitung der Lebensmittel erreicht werden können, gehen Experten davon aus, dass der Mensch – wenn überhaupt – nur mit sehr geringen MAP-Keimzahlen über die Milch konfrontiert wird.

Das Auftreten von MAP ist somit nach der Auffassung der Fachleute des BfR und FLI in erster Linie relevant für die Tiergesundheit, nicht für die Lebensmittelsicherheit.

Paratuberkulose bei Wildtieren

Außer bei Wiederkäuern können auch bei Wildwiederkäuern Paratuberkulosebakterien nachgewiesen werden, ohne Krankheitsanzeichen verursacht zu haben. Abmagerung, struppiges Haarkleid und Durchfall können auf Para-Tb hindeuten. Meist sind die vor allem beim Rehwild oft zu beobachtenden Durchfälle jedoch auf Entzündungen des Magen-Darmtrakts infolge von „Futterumstellungen“ oder aufgrund eines Befalls mit Magen-Darm-Parasiten zurückzuführen. Da der Erreger zwischen Haus- und Wildwiederkäuern übertragen werden kann, stellt die Überwachung von Nutztierbeständen auch eine Verminderung der Infektionsgefahr für das Wild dar.

Die Paratuberkulose bleibt auch beim Wildtier lange Zeit symptomlos. Fortwährender Stress mag Darmentzündungen begünstigen, die zum Auftreten von massivem Durchfall führen können. Trotzdem die Tiere Nahrung aufnehmen, magern sie ab und weisen ein glanzloses und struppiges Haarkleid auf. Das Verfärben erfolgt nur zögerlich.

Erlegte oder verendete Tiere fallen nicht selten durch ihre Abgekommenheit auf, weisen vergrößerte Lymphknoten in der Bauchhöhle und einen entzündeten Magen-Darmtrakt sowie Flüssigkeitsansammlungen in der Bauchhöhle auf. Der breiig-wässrige Durchfallkot stinkt fürchterlich.