Blauzungenkrankheit

Auch in Deutschland wieder aktuell

Deutschland galt lange als frei von der Blauzungenkrankheit. Jetzt ist sie zurück. Auch Wildwiederkäuer können daran erkranken.
Im Dezember 2018 informierte das Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, dass die Blauzungenkrankheit bei Rindern in einem Bestand im Landkreis Rastatt amtlich festgestellt worden ist. Die Tierseuche wurde im Rahmen einer routinemäßig durchgeführten jährlichen Kontrolle nachgewiesen. Um den Ausbruchsbetrieb wurde ein Restriktionsgebiet mit einem Radius von 150 Kilometer eingerichtet. Es umfasst vollständig die Bundesländer Baden-Württemberg und das Saarland sowie das südliche Hessen und Rheinland-Pfalz. Im Sperrgebiet müssen sämtliche Rinder-, Schafe-, Ziegen- und Gehegewild-Haltungen sowie unter anderem Lamas und Alpakas, die noch nicht registriert sind, unverzüglich dem Veterinäramt gemeldet werden. Der Transport von Zucht-, Nutz- und Schlachttieren ist innerhalb des Sperrgebietes nur mit Zulassung der zuständigen Behörde möglich. Für die Blauzungenkrankheit empfängliche Tiere dürfen nur unter Auflagen aus dem Sperrgebiet herausgebracht werden.

Mit der Feststellung der Blauzungenkrankheit in Baden-Württemberg liegen auch größere Gebiete Bayerns in der gesetzlich vorgeschriebenen 150-km-Sperrzone um den Ort des Ausbruchs und sind somit von entsprechenden Restriktionen betroffen. Dieses Sperrgebiet muss für mindestens 2 Jahre nach dem letzten Ausbruch aufrechterhalten werden. Erst danach kann sich die Bundesrepublik Deutschland wieder als frei von der Blauzungenkrankheit erklären und auch ihren „Freiheitsstatus“, den sie seit 2012 inne hatte, zurückerhalten.

Da es sich um eine anzeigepflichtige Tierseuche handelt, muss bereits der Verdacht sofort dem Veterinäramt angezeigt werden.

 

Fakten zur Blauzungenkrankheit

Was ist die Blauzungenkrankheit?

Die Blauzungenkrankheit (auch unter der englischen Bezeichnung „Bluetongue“ oder kurz BT bekannt) ist eine anzeigepflichtige Viruserkrankung großer und kleiner Wiederkäuer (Rinder, Schafe, Ziegen), aber auch von Neuweltkameliden und Wildwiederkäuern, die mit Fieber und durch Entzündungen der Gefäße verursachten Schwellungen einhergehen kann.

Die Blauzungenkrankheit ist eine nicht direkt von Tier zu Tier übertragbare, sondern durch bestimmte blutsaugende Stechmücken (sog. Gnitzen der Gattung Cullicoides) übertragene Infektionskrankheit, an der vor allem Schafe und Rinder erkranken und teilweise versterben können. Auch über den Kontakt mit Personen und Gerätschaften findet keine Ansteckung statt.

Beim Erreger der BT handelt es sich um ein Virus (abgekürzt BTV, Blauzungenvirus), von dem über 20 verschiedene Serotypen bekannt sind. In den letzten Jahren wurden in den Nachbarstaaten Deutschlands vor allem das Virus vom Serotyp 8 (BTV-8) und das Virus vom Serotyp 4 (BTV-4) nachgewiesen.
Bei infizierten Tieren kann das Virus über Wochen im Blutkreislauf zirkulieren. Sie stellen damit ein Virusreservoir dar.

Die BT tritt verstärkt in der warmen Jahreszeit und hier bei feuchtwarmem Wetter auf. Die Stechmücken, die Gnitzen, fallen vor allem im Zeitraum zwischen Abend- und Morgendämmerung bevorzugt Tiere im offenen Gelände an.

Besteht eine Ansteckungsgefahr für den Menschen?

Der Erreger der Blauzungenkrankheit ist für den Menschen und andere Tiere nicht gefährlich. Fleisch- und Milchprodukte können ohne Bedenken verzehrt werden.

Woher kommt die Blauzungenkrankheit?

Der ursprünglich aus Afrika stammende Erreger kommt heute weltweit in tropischen und subtropischen Regionen vor. Er ist in Europa in den gesamten Mittelmeeranrainerstaaten und auf dem Balkan mit verschiedenen Serotypen (z.B. BTV-4, BTV-8) präsent. In Zentraleuropa wurde die Krankheit 2006 erstmals in den Niederlanden nachgewiesen. In den Jahren 2007 und 2008 konnte eine kontinuierliche Ausbreitung der BTV- 8 in Deutschland festgestellt werden.

Mit Hilfe einer 2008 und 2009 bundesweit durchgeführten Pflichtimpfung aller Wiederkäuer konnte BTV-8 zurückgedrängt werden. Deutschland war in der Folge von 2012 bis Dezember 2018, bis zu dem Ausbruchsgeschehen in Baden-Württemberg, BTV- frei.
Die Blauzungenkrankheit kann durch den Handel mit infizierten Tieren oder infiziertem Sperma in freie Regionen eingeschleppt werden. Darüber hinaus kann der Erreger durch die Verschleppung von Insekten mit dem Wind oder mit Flugzeugen über weite Strecken verbreitet werden. Insbesondere in den wärmeren Monaten ist mit einer weiteren Ausdehnung der Tierseuche zu rechnen. Da die Stechmücken auch an geschützten Orten (Stall) überwintern können, tritt die Krankheit unter Umständen auch in einer Zeit auf, in der man die „fliegenden Vektoren“ gewöhnlich nicht vermutet.

Wie ist die aktuelle Gefährdungslage?

Nach mehreren Jahren Seuchenfreiheit ist die Blauzungenkrankheit (BT) wieder auf dem Vormarsch.

In der jüngeren Vergangenheit kam es wiederkehrend in Frankreich, aber auch in der Schweiz zu BT-Ausbrüchen vom Virustyp 8. Seit 2014 ist eine kontinuierliche Ausbreitung der Blauzungenkrankheit, ausgelöst durch BTV-4, von Griechenland über den Balkan Richtung Mitteleuropa zu beobachten. Aus Südosteuropa kommend zeigte BTV-4 Ausbreitungstendenzen und hatte Ende 2015 Österreich und Slowenien erreicht. Betroffen waren auch Ungarn, Rumänien und weitere Länder des Balkan sowie Italien.

Baden-Württemberg hat auf die Ausbrüche in den benachbarten Staaten bereits im Jahr 2016 mit einer freiwilligen Impfaktion reagiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Erreger nach Baden-Württemberg eingetragen wird, wurde allerdings als hoch angesehen.
Am 12.12.2018 bestätigte das nationale Referenzlabor für BT des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) zwei Infektionen mit BTV-8 bei Rindern im Landkreis Rastatt in Baden-Württemberg, nahe der französischen Grenze. Ebenso wurde die Tierseuche in Rheinland-Pfalz und im Saarland nachgewiesen.
Mittlerweile sind das gesamte Allgäu sowie die oberbayerischen Landkreise Dachau, Fürstenfeldbruck, Pfaffenhofen, Neuburg/Donau und Eichstätt vom Sperrgebiet, ausgehend von dem Ausbruchsgeschehen in BW, betroffen, daneben sind auch Mittelfranken und die schwäbischen Landkreise Augsburg und Dillingen zum Sperrbezirk erklärt worden (Stand Februar 2019).

Ein Eintrag nach Bayern muss auch in Zukunft möglichst unmittelbar erkannt werden, um Tierbesitzer und Tierärzteschaft gezielt informieren zu können und die vorgeschriebenen Maßnahmen ergreifen zu können.
Da auch Wildwiederkäuer für BTV empfänglich sind, ist auch die Jägerschaft aufgerufen, das Wild in den Revieren genau „unter die Lupe“ zu nehmen, um Veränderungen, die auf ein BT-Seuchengeschehen hindeuten könnten, schnell zu registrieren.

Wie macht sich die Erkrankung bemerkbar?

Schafe: In der Regel entwickeln sich bei Schafen schwere klinische Symptome einer Allgemeinerkrankung mit hohem Fieber und Abgeschlagenheit. Es muss mit Sterblichkeitsraten von bis zu 30 % gerechnet werden. Leitsymptome sind Rötungen und Schwellungen der Kopfschleimhäute, Kopfödeme sowie vermehrter Speichelfluss. Namengebend für die Krankheit sind Blutungen, Schwellungen und Blaufärbungen im Maulbereich, insbesondere der Zunge. Entzündungen im Zwischenklauenspalt und am Kronsaum führen bei ihnen zu Schmerzen, Lahmheit, gekrümmtem Rücken und vermehrtem Liegen.

Rind: Beim Rind verläuft die Erkrankung meist unauffälliger, sehr häufig völlig ohne Krankheitssymptome. Es können leichtes Fieber, Milchleistungsrückgang und Aborte auftreten. Bei schwerem Verlauf können Rötungen und Erosionen an Kopfschleimhäuten, Maul, Zahnfleisch, Klauensaum und Zitzen sowie eine gravierende Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens beobachtet werden.

Können auch Wildwiederkäuer erkranken?

Tatsächlich sind auch Wildwiederkäuer für die Blauzungenkrankheit empfänglich. Die Krankheit verläuft jedoch meist ohne Symptome. Grundsätzlich können Wildwiederkäuer aber ein Reservoir für die Blauzungenkrankheit darstellen. Leider spielt auch hier der Klimawandel seine unrühmliche Rolle und verlängert die Zeit, in der die Stechmücken fliegen und das Virus übertragen können.

Die Anzeigepflicht bezieht sich auch auf Wildtiere. Das bedeutet, dass Jäger einen Verdacht umgehend der Veterinärbehörde melden müssen.

Wie kann man Tiere vor einer Infektion schützen?

Ein vollständiger Schutz vor BT ist nur durch eine Schutzimpfung empfänglicher Tiere gegen den jeweiligen Serotyp zu erreichen. Das bedeutet, dass Tiere, die gegen BTV-8 geimpft sind, auch gegenüber einer Neuinfektion mit BTV-8 geschützt sind.
Daneben wird insbesondere bei Schafen und Ziegen zur Impfung geraten, da diese bei einer Infektion schwerwiegend erkranken können. Eine hohe Impfquote ist auch notwendig, damit sich die Seuche in der Tierpopulation nicht weiter ausbreitet.

Rinder, Schafe und Ziegen, die in Zoos, Wildparks, Zirkussen oder ähnlichen Einrichtungen gehalten werden, sollten ebenfalls geimpft werden, ebenso Tiere sonstiger empfänglicher Tierarten, zum Beispiel Gehegewild oder Neuweltkameliden.
Bund und Länder favorisieren derzeit eine freiwillige Impfung der Wiederkäuerbestände. Die Entscheidung über eine Impfung obliegt damit der Verantwortung der Tierhalter.

Bekämpfung

Die Bekämpfung der Blauzungenkrankheit basiert auf innerstaatlichem und EU-Recht. Die BT ist in allen EU-Mitgliedstaaten anzeigepflichtig. Die Impfung bietet derzeit den einzigen effektiven Schutz.
Zur Bekämpfung der Blauzungenkrankheit sind strenge, vor allem den Handel mit Tieren und ihre Verbringung einschränkende Maßnahmen vorgesehen. Ziel der Maßnahmen ist es, die Gefahr einer Verschleppung des Virus zu minimieren. Durch die Einrichtung von „Restriktionszonen“ mit insgesamt ca. 150 km Radius um Ausbruchsbetriebe ergeben sich für in diesen Zonen gehaltene Rinder, Schafe oder Ziegen massive Handelshemmnisse, auch wenn sie von der Infektion selbst nicht betroffen sind. Ein Verbringen innerhalb der Sperrzonen und aus Sperrzonen in freie Gebiete unterliegt der behördlichen Überwachung. Das Verbringen von Tieren aus gesperrten Betrieben ist grundsätzlich verboten. Das Verbringen von lebenden Tieren aus nicht gesperrten Betrieben innerhalb der Sperrzone und in ein freies Gebiet ist nur zulässig, wenn die Tiere einen wirksamen Impfschutz haben.