Pseudotuberkulose (der Schafe und Ziegen) durch Corynebacterium pseudotuberculosis (nicht zu verwechseln mit Pseudotuberkulose, verursacht durch Yersinia pseudotuberculosis, auch als Yersiniose oder umgangssprachlich als Rodentiose bezeichnet)

Die Pseudotuberkulose ist die bedeutendste chronische, durch Bakterien hervorgerufene, der Tuberkulose ähnliche Infektionskrankheit bei Schafen und Ziegen. Das Bakterium Corynebacterium (C.) pseudotuberculosis ist mit Mykobakterien, zu denen auch die Tuberkulosebakterien gehören, verwandt.

Ende der 1980er-Jahre wurde der Erreger in Tierbeständen in den Niederlanden und in Großbritannien entdeckt, mittlerweile ist sie weltweit verbreitet.

Vorkommen

C . pseudotuberculosis-Infektionen sind vor allem bei kleinen Wiederkäuern wie Ziegen und Schafen beschrieben. Seltener kommen Infektionen bei anderen Tierarten wie Rind, Pferd, Schwein oder Wildwiederkäuern und auch beim Menschen vor. Zunehmend werden Infektionen bei Lamas und deren Verwandten sowie Kamelartigen festgestellt.

Erreger

Das Bakterium Corynebacterium pseudotuberculosis, der Erreger der Pseudotuberkulose, ist ein verreckter Erreger, wie man in Bayern sagen würde. Gelangt er in ein Wirtstier hinein und kann sich hier erfolgreich etablieren, verursacht er chronische, meist lebenslange, jedoch meist nicht-tödliche Infektionen, da er dem Immunsystem des Wirtes erfolgreich „ein Schnippchen“ schlägt. In den Nutztierhaltungen sind diese „unerkannt“ infizierten Tiere, die Artgenossen infizieren können und so zu einer Durchseuchung des gesamten Bestandes im Nutztierbereich bzw. der Wildpopulation in einem bestimmten Gebiet beitragen können, ein großes Problem.

Die komplexe Bakterienzellwand verhindert ein Abtöten der Bakterien durch das Wirtsimmunsystem und ermöglicht den Keimen eine Vermehrung in Körperzellen, ein Transport über das Blut- und Lymphsystem in viele Stellen des Körpers sowie ein wochen- bis monatelanges Überleben im Darm und in Wunden infizierter Tiere, aber auch in der Umwelt im Staub und Kot. Auf diese Weise können C. pseudotuberculosis-Keime nicht nur von Tier zu Tier und von Tier zu Mensch übertragen werden, sondern z.B. auch über kontaminierte Gegenstände und Werkzeuge (z.B. Scherwerkzeuge).

Übertragung/Ansteckung

Die klassischen Eintrittspforten für C. pseudotuberculosis stellen Wunden dar, die vor allem bei der Schur und Klauenpflege, durch Hornstöße, Ohrmarkeneinziehung oder durch scharfe Kanten an Umzäunungen, Melkständen oder Dornenbüschen auftreten. Lymphknotenschwellungen sind ein typisches Erkennungsmerkmal für eine Infektion. Zur Verbreitung des Erregers kommt es, wenn oberflächliche Abszesse spontan platzen oder durch Berührungen oder beim Scheren eröffnet werden. Dadurch werden die Böden von Schurplatz, Pferch, Stall oder Weide sowie die Badeflüssigkeiten kontaminiert. Der aus aufplatzenden Abszessen abfließende hochinfektiöse Eiter stellt die Hauptursache für die Übertragung der Pseudotuberkulose dar. Der Erreger kann außerdem über Körpersekrete, Milch, Kolostralmilch und Kot sowie beim Lamm über den Nabel verbreitet werden.

Neben Wunden stellen das Einatmen erregerhaltiger Luft und die orale Aufnahme des Erregers über Belecken von Artgenossen und Gegenständen sowie Fressen kontaminierter Einstreu weitere Infektionsquellen dar.

Ein Weg der Einschleppung der Pseudotuberkulose in eine Herde ist der Zukauf klinisch unauffälliger Tiere in einem frühen Infektionsstadium.

Infektion beim Menschen

Berichte über C. pseudotuberculosis-Infektionen beim Menschen gibt es in der Literatur verhältnismäßig wenig, doch kann es durch Kontakt mit infizierten Tieren (z.B. nach massivem Erregerkontakt beim Eröffnen von Abszessen) auch beim Menschen zu Infektionen kommen, die mit einer krankhaften „Lymphknotenschwellung“ vor allem an Hals und in der Achsel- und Leistengegend (starke Lymphknotenentzündung) und Abszessbildung einhergehen.

Landwirte, Schafscherer, Schlachthofarbeiter, Tierärzte und Jäger sind besonders gefährdet und sollten daher entsprechende Schutz- und Hygienemaßnahmen ergreifen. Während eine Behandlung beim Menschen mit Antibiotika möglich ist, ist aufgrund der Erregerverbreitung und Abszessbildungen im Tier eine Antibiotika-Behandlung meist nicht erfolgreich und wird auch in der Praxis in der Regel nicht durchgeführt.

Vereiterte Lymphknoten am Kopf einer Ziege. Foto: Dr. Cordula Koch

Symptomatik der Pseudotuberkulose

Diese Erkrankung, die immer chronisch verläuft, geht einher mit Abszessbildungen in oberflächlichen Lymphknoten (oftmals Lymphknoten im Kopf- und Halsbereich) und tiefen Lymphknoten sowie in Organen, z.B. Lunge, Leber, Milz und Nieren, nach Hautverletzungen, über die der Erreger in den Körper gelangt ist. Die in den oberflächlichen Lymphknoten entstandenen Abszesse können bei der Allgemeinuntersuchung ertastet werden, während tief sitzende Abszesse, z. B. an inneren Organen, erst bei der Schlachtung entdeckt werden. Weil die nicht sicht- bzw. fühlbaren Lymphknoten und die Lungenveränderungen bei der einfachen klinischen Untersuchung nicht erkannt werden, werden auch nur ein Teil der an Pseudotuberkulose erkrankten Tiere erfasst. Hat sich ein Tier einmal angesteckt, bleibt es ein Leben lang infiziert und kann andere anstecken. Die chronisch infizierten Tiere magern oft ab und verlieren an Leistungsfähigkeit. Durch den Ausfall bzw. Tod der Tiere entsteht erheblicher wirtschaftlicher Schaden.

Die Abszesse enthalten grüngelblichen oder weißen, flüssigen bis festen Eiter (wie Käse), der immer mehr einen charakteristisch lamellenartigen, geschichteten Aufbau („Zwiebelringschalen“) bekommt.  Ältere, bereits eingekapselte Abszesse werden zunehmend trockener und fester. Die Knoten wachsen langsam und erreichen Durchmesser von 20–40 mm. Meist brechen sie zwei bis sechs Monate nach der Infektion von selbst auf und ihr hochinfektiöser Inhalt tritt zu Tage. Jeder Abszess enthält eine ausreichende Menge an Bakterien, um eine ganze Herde zu infizieren.

Zu einer vorzeitigen Entleerung des Abszessinhalts in die Umwelt kommt es, wenn der Abszess versehentlich durch Manipulation eröffnet wird. Die Infektion wird dann über die kontaminierten Schermaschinen, über Schurbänke oder andere Gerätschaften bzw. über die Kleidung des Schäfers bzw. Scherers auf andere Tiere übertragen.

Typischer Pseudotuberkulose-Abszess (Corynebacterium pseudotuberculosis-Infektion) des Mandibularlymphknotens einer Ziege mit trockenem, in Schichten gelagertem Eiter und Kapselbildung (Pfeil), Foto: CVUA Stuttgart

Lymphknotenabszess nach Corynebacterium pseudotuberculosis-Infektion (Ziege), Foto: CVUA Stuttgart

Prävention und Behandlung

Das Herdenmanagement sollte darauf abzielen, eine Übertragung der Pseudotuberkulose von infizierten auf gesunde Tiere zu verhindern. Die Pseudotuberkulose ist eine unheilbare Krankheit; eine wirksame Therapie gibt es nicht. Ist ein Tier erst einmal mit dem Bakterium infiziert, gibt es meist keine Heilung.

Tätigkeiten wie die Kennzeichnung der Tiere mit Ohrmarken, das Ausscheren von Schenkeln und Schwanz zur Vermeidung des Schaffliegenbefalls sowie das Scheren der Tiere und das Badeverfahren zur Ektoparasitenbekämpfung bieten Gelegenheit zur Übertragung der Infektion über dabei entstehende oder bereits alte Hautverletzungen bzw. durch den engen Kontakt der Tiere. Neugeborene Lämmer sind nicht infiziert und kommen erst durch den intensiveren Kontakt mit älteren Schafen in Kontakt mit dem Erreger.

Eine Behandlung der Pseudotuberkulose ist in der Regel vom wirtschaftlichen Standpunkt aus nicht vertretbar. Die Bakterien reagieren zwar empfindlich auf zahlreiche Antibiotika, doch ist der Einsatz dieser Arzneimittel aufgrund der Verkapselung der Abszesse und des zur Behandlung von Einzeltieren erforderlichen personellen Arbeitsaufwandes praktisch nicht durchführbar. Die den Abszess umgebende Kapsel verhindert zudem, dass Antibiotika den Erreger „erreichen“. Bei wertvollen Tieren kann man die Abszesse eröffnen und mit milden desinfizierenden Lösungen spülen, wobei die Tiere bis zur Abheilung, das heißt etwa 20 – 30 Tage später, streng vom Rest der Herde getrennt werden müssen. Eröffnung und Spülung der Abszesse bergen jedoch immer ein hohes Infektionsrisiko und sollten vermieden werden. Ist diese Behandlungsmethode jedoch unumgänglich, muss der Eiter aufgefangen werden und anschließend eine gründliche Desinfektion erfolgen.

Die effizienteste Methode zur Bekämpfung der Pseudotuberkulose besteht in einer Impfung der Herde mit einem bestandsspezifischen Impfstoff. Durch den Impfstoff werden nur die Symptome gemildert, eine Infektion nicht verhindert.

Die einzig effektive Behandlungs- beziehungsweise Bekämpfungsmethode liegt im Erkennen infizierter Tiere, deren Absonderung und Tötung. Die Kontrolle des gesamten Bestandes in Bezug auf das Auftreten von Lymphknotenschwellungen ist von äußerster Wichtigkeit.