Hämorrhagische Septikämie (HS) oder Wild- und Rinderseuche

Im Sommer 2022 ist es zu einem seltenen Infektionsgeschehen in den deutschen Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen gekommen, das Jäger und Nutzviehhalter gleichermaßen beunruhigt hat. In mehreren Rinderbeständen mit Weidehaltung in Sachsen ist die Hämorrhagische Septikämie bzw. Wild- und Rinderseuche ausgebrochen und hat zu dramatischen Tierverlusten geführt. Eine Vielzahl von Rindern verendete in kürzester Zeit. Auf dem Gebiet der Mecklenburgischen Seenplatte wurde die seltene Tierkrankheit im Wildtierbereich nachgewiesen, etliche tote Damhirsche waren gefunden worden.

Die Hämorrhagische Septikämie (HS), auch als Wild- und Rinderseuche bzw. Pasteurellose des Rindes bezeichnet, ist eine bakterielle, akute bis perakut verlaufende Infektion bei Haus- und Wildwiederkäuern sowie Schweineartigen mit Pasteurella multocida eine bestimmten Kapseltyps. Andere Tierspezies, z.B. Dromedare, Rentiere oder Elefanten können sich ebenfalls infizieren, erkranken jedoch in der Regel weniger schwer.

Erreger

Auslöser dieser außergewöhnlich plötzlich auftretenden Infektionskrankheit sind bestimmte „Kapseltypen“ des Bakteriums Pasteurella (P.) multocida (Typ B und E). Der „Kapseltyp“ bestimmt die Virulenz von P. multocida, da dieser das Bakterium vor der „Vernichtung“ durch die Immunabwehr des Wirtsorganismus schützt.

Andere bekannte Bakterien-Kapseltypen (A, D und F) können ebenfalls Pasteurellosen bei Wiederkäuern (z.B. Pasteurellose des Kalbes), aber auch bei Schweinen (z.B. „Schnüffelkrankheit“) und Geflügel (z.B. Geflügelcholera) hervorrufen, die jedoch nicht der Wild- und Rinderseuche zugeordnet werden.

Vorkommen

Empfänglich sind neben Rindern, Büffeln und Wildwiederkäuern auch kleine Wiederkäuer wie Schafe und Ziegen und Haus- und Wildschweine. Bislang liegen keine Hinweise auf Übertragungen dieses Erregers auf den Menschen vor.

Die Wild- und Rinderseuche kommt heute noch in Afrika und Asien vor, wobei hier durchaus mehrere tausend Tiere betroffen sein können wie im Falle des Massensterbens der vom Aussterben bedrohten Saiga-Antilopen im Jahr 2010 und 2015.

Einzelne Ausbrüche mit regional beschränktem Charakter, die jedoch mit den großen Seuchenzügen des 18. Jahrhunderts nicht vergleichbar sind, kommen auch in den übrigen Teilen der Welt vor. Die jüngsten Fälle in Europa gab es 2001 in Polen und Malta oder 2010 und 2013 in Spanien. In Deutschland wurden in den vergangenen Jahren vereinzelte Ausbrüche aus Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gemeldet.

Die Hämorrhagische Septikämie ist keine nach EU-Tiergesundheitsrecht gelistete Tierseuche und auch nach deutschem Recht weder anzeige- noch meldepflichtig. Es besteht eine Meldepflicht beim Internationalen Tierseuchenamt (OIE).

Übertragung

Die Erkrankung tritt typischerweise in den Sommermonaten bei hoher Temperatur und hoher Luftfeuchtigkeit auf. Der Erreger kann in feuchtem Boden und Wasser mehrere Tage überleben. Eine Erregerausbreitung und Ansteckung zwischen den Wildtieren, aber auch von Nutztieren,  kann durch direkten Kontakt zu infizierten Tieren erfolgen, aber auch indirekt über kontaminiertes Futter und Wasserstellen. Als mögliche Übertragungsquelle gelten auch symptomlos infizierte Wildtiere, die den Erreger v.a. in den Mandeln beherbergen und in Stresssituationen, z.B. bei großer Hitze, „aktivieren“ und ihn ausscheiden.

Klinisches Bild (beim Rind)

Die Inkubationszeit beträgt wenige Tage. Das klinische Bild ist sehr variabel.

Die perakute Form ist durch plötzlich eintretendes hohes Fieber, Schwäche, trockene Schleimhäute, Futterverweigerung gekennzeichnet. Es können blutiger Durchfall, blutiger Nasenausfluss oder blutiger Urin auftreten. Hierbei handelt es sich um eine bakterielle Blutvergiftung, die rasch zum Tode führt.

Akute Verläufe gehen oft mit starker Ödembildung in der Unterhaut, Bindehautentzündungen, Atemnot, Lungenentzündung,  gestörter Pansenmotorik, Rot-Blaufärbung der Zunge, starkem Speicheln und blutigem Durchfall einher und führen meist binnen einer Woche zum Tod des Tieres. Bei trächtigen Kühen können Fehlgeburten auftreten.

Treten Krankheitssymptome auf, kommt in der Regel jede Therapie zu spät. Eine Bekämpfung der Infektion mit Antibiotika ist nur in der Frühphase erfolgversprechend, und auch nur bei gehaltenen Tieren durchführbar.

Chronische Verläufe mit milderen Krankheitssymptomen sind selten.