Chronic Wasting Disease

Die chronisch zehrende Krankheit der Hirsche (Chronic Wasting Disease, CWD, Chronische Auszehrkrankheit) – in der Presse auch vielfach als “Zombi-Krankheit der Hirsche” bezeichnet – trat zum ersten Mal 1967 bei in Gefangenschaft lebenden nordamerikanischen Maultierhirschen auf. Erst 1978 wurde sie jedoch als ein „übertragbares schwammartiges Hirnleiden“ identifiziert und daraufhin als eine Form von Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathien (abgekürzt TSEs), wie z.B. Scrapie und BSE, angesehen.

Im Jahr 1981 wurde dann der erste CWD-Fall bei einem wildlebenden Hirsch gemeldet. Bis vor kurzem waren natürliche CWD-Infektionen nur bei Hirschen der Gattung Cervus (z.B. Wapiti) und bei Wedel- bzw. Maultierhirschen bekannt. Etwa die Hälfte der Fälle ist bisher in Gatterwildhaltungen aufgetreten, die anderen Nachweise erfolgten bei erlegtem bzw. verunfalltem Wild. Inzwischen wurde auch von aufgetretenen CWD-Fällen bei Elchen und Rentieren berichtet, erstmals auch außerhalb Nordamerikas und Südkoreas. Den ersten Fall dokumentierte Norwegen im April 2016, danach wurden 11.000 Wildtiere getestet – bei zwei Rentieren und zwei Elchen wurden die Behörden fündig. In Finnland wurde im Februar 2018 ein toter Elch aufgefunden, der an CWD erkrankt war.

Mittlerweile läuten die Experten jedoch die Alarmglocken: In den USA und Nordamerika scheint sich die tödliche Nervenkrankheit unter Rentieren und Hirschen auszubreiten.

Wissenschaftler befürchten nun mehr denn je eine Übertragung der “Zombie-Krankheit“ auch auf den Menschen. Eine Übertragung auf den Menschen kann zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dennoch wird die Gefahr als gering angesehen, teilt das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI)- Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit auf der Insel Riems bereits im April 2016 mit. An dieser Einschätzung hat sich bislang nichts geändert.

Bei infizierten Huftieren endet die ansteckende „Gehirnerkrankung“, eine „Prionen-Erkrankung“, immer tödlich.

Fakten zur Chronic Wasting Disease

Um welche Erreger handelt es sich?

Der Erreger der „schwammartigen Gehirnerkrankung“ ist weder ein Virus, noch ein Bakterium und auch kein Parasit, sondern ein „infektiöses“ Eiweiß, eine pathogene Variante eines im tierischen Organismus natürlich vorkommenden Prionproteins.
Diese Prionen bzw. Prionproteine sind Proteine, also Eiweiße, die in einer physiologischen (normalen) als auch in einer pathogenen (gesundheitsschädigenden) Struktur vorliegen können. Körpereigene Prionen kommen vermehrt im Hirngewebe vor, so dass pathologische Veränderungen dieser Proteine schwerwiegende Folgen für den Organismus haben können.
Die Ursache dieser Erkrankungen des zentralen Nervensystems ist, zählt man sie zu den Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathien (TSEs), ein in seiner räumlichen Struktur abnormes („fehlgefaltetes“) Eiweiß. Diese abnormen Prionproteine gelangen am wahrscheinlichsten durch kontaminierte Nahrung in den Körper, Schmierinfektionen können jedoch auch nicht ausgeschlossen werden. Aus den körpereigenen Prionproteinen können aber auch durch spontane Umfaltung pathogene Prionen entstehen.
Gerät das normale Eiweiß in Kontakt mit der pathogenen Form des Prionproteins, nimmt das „normale“, „richtig gefaltete“ Eiweiß die Form des pathogenen Eiweißes an und „klappt um“, es ändert seine Struktur, seine „Faltung“. Es folgt eine Kettenreaktion, immer mehr Eiweiße erleiden eine Deformation und wirken dadurch zerstörerisch auf das Gehirn, da sie unlöslich sind und sich in den Zellen ablagern. Infolgedessen sterben Gehirnzellen ab, es entstehen die „berüchtigten“ Löcher im Gehirn, welches sich wie ein Schwamm darstellt.

Transmissible Spongiforme Enzephalopathien beim Tier

Beim Tier kennt man fünf verschiedene Formen der TSE-Erkrankung:

  • die „Scrapie“, auch Traberkrankheit der Schafe und Ziegen genannt
  • die Transmissible Mink Enzephalopathie der Nerze (TME)
  • die Chronic Wasting Disease der Hirsche (CWD)
  • die Bovine Spongiforme Enzephalopathie der Rinder (BSE) – umgangssprachlich als “Rinderwahn” bezeichnet
  • die Feline Spongiforme Enzephalopathie der Katzenartigen (FSE)

Transmissible Spongiforme Enzephalopathien beim Menschen

Die beim Menschen bereits lange bekannten TSE-Erkrankungen werden in zwei Rubriken gegliedert:

  • Die erblich bedingten TSE-Erkrankungen wie die Fatale Familiäre Insomnie (FFI), das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS) und die sog. klassische Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK)
  • TSE- Krankheitsbilder mit rein übertragbaren Ursachen: die so genannte neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (nVCJK) und die „Kuru“
Übertragungswege Tier und Mensch

Erkrankte Tiere scheiden den Erreger mit allen Se- und Exkreten (v.a. Speichel, Urin, Kot) aus. Der Erreger ist über Jahre im Boden stabil. Daher ist die Bekämpfung in der Wildtierpopulation nahezu unmöglich.
Die pathogenen Prionen sind (aufgrund ihrer Faltstruktur) extrem widerstandsfähig gegenüber Hitze, UV-Strahlung- und Gamma-Bestrahlung und herkömmlichen Desinfektionsmitteln. So ist es nicht möglich, Kleidungsstücke zu desinfizieren, die mit CWD-kontaminiertem Material in Kontakt gekommen sind. Diese Kleidungsstücke sollten vorsichtshalber entsorgt werden.
Erkrankungsfälle beim Menschen sind bislang zwar nicht nachgewiesen worden, Experten konnten jedoch im Tierversuch mit Makaken und Labormäusen zeigen, dass diese nach dem Verzehr von kontaminiertem Fleisch den Erreger ebenfalls in sich trugen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sich Menschen z.B. durch den Verzehr von kontaminiertem Fleisch anstecken können.
Trotz der öffentlichen Bekundungen der US-Behörden, dass eine Gefährdung für Menschen nach dem derzeitigen Kenntnisstand ausgeschlossen werden kann, wird den Jägern in den USA nahe gelegt, bei der Trophäen- und Wildbehandlung besondere Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten.

Was müssen Jäger bezüglich CWD wissen?
Das erklärt die Leiterin des Referenzlabors für Transmissible Spongiforme Enzephalopathien (TSEs), Dr. Anne Balkema-Buschmann, vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) im DJV-Interview.

Was bedeutet der erste Fall für Jäger und Landwirte in Europa?
“Das ist im Moment schwierig zu beantworten, da bisher nur der eine Fall in Norwegen bekannt ist. Über die Wiedereinführung von Überwachungsprogrammen sollte nun diskutiert werden, es gibt bereits entsprechende Überlegungen.”

Wie wahrscheinlich ist es, dass CWD auch in Deutschland auftritt?

“Diese Frage ist anhand der Daten zu nur einem einzigen (zufälligen) Nachweis nicht fundiert zu beantworten. Die geografische Lage Norwegens begünstigt eine Übertragung auf das europäische Festland nicht sehr stark.”

Betrifft es ausschließlich Wiederkäuer?

“Ja, unter natürlichen Bedingungen sind ausschließlich Wiederkäuer betroffen. Es sind aber nicht alle Wiederkäuer-Spezies empfänglich.”

Welche Arten sind empfänglich und ist CWD auch zwischen den Arten übertragbar?
“Von unseren einheimischen Arten wurde anhand der genetischen Ähnlichkeit zu den betroffenen Arten in Nordamerika besonders der Rothirsch (und in Finnland der Weißwedelhirsch) als empfänglich eingestuft. Und ja, CWD ist zwischen diesen Arten übertragbar.”

Besteht die Möglichkeit der Übertragung auf den Menschen?

“Bisher gibt es keine Hinweise auf ein zoonotisches Potenzial des CWD-Erregers. Dennoch wird natürlich davon abgeraten, das Fleisch von klinisch auffälligen Tieren zu verzehren. Auch in den betroffenen Regionen in Nordamerika ist bislang kein Auftreten von TSE-Fällen beim Menschen zu verzeichnen.”

Krankheitssymptomatik

Aufgrund der langen Inkubationszeit ist eine Erkrankung schlecht zu diagnostizieren. Bis die ersten Anzeichen bei den infizierten Tieren auftreten, kann es Monate bis Jahre dauern.
Mit fortschreitender Erkrankung können die Tiere verschiedene Symptome zeigen und erinnern uns Menschen dann an „Zombies“, daher der umgangssprachliche Name „Zombie-Krankheit“. Dazu gehören: drastischer Gewichtsverlust (Auszehrung), Mangel an Koordination aufgrund der zentralnervösen Störungen, Stolpern, Antriebslosigkeit, übermäßiger Speichelfluss, Durst, hängende Ohren, geringe Scheu vor Menschen bis hin zur Aggression.

CWD-Überwachungsprogramm

Gemäß der Verordnung 2007/182/EWR wurde in der EU von 2007 bis 2009 ein CWD-Überwachungsprogramm durchgeführt. Im Rahmen dieses Programms wurden 13.000 Proben von Wild-Wiederkäuern wegen ihrer engen Verwandtschaft zu den in Nordamerika betroffenen Arten, auf CWD untersucht, alle mit negativem Ergebnis. Für Deutschland wurde eine Stichprobengröße von 598 erlegten Tieren und 598 Stück Gatterwild festgelegt. Diese Studie ist in einer Stellungnahme der EFSA (Europäische Lebensmittelbehörde) zusammengefasst. Ab 2011 wurden die Untersuchungen auf CWD eingestellt.
Aktuell gibt es bereits Überlegungen, die CWD-Überwachung in Europa wieder aufzunehmen.
Da momentan nicht davon ausgegangen wird, dass der Erreger in Europa verbreitet ist, bestehen aktuell keine Bedenken gegen die Einfuhr von Wildbret, Fellen und Trophäen (wenn es nicht zu einer Eröffnung des Schädels gekommen ist!) der betroffenen Tierarten aus Nordamerika.